Die Wacker Chemie AG beschafft Dienstleistungen über einen durchgängigen digitalen Prozess. Die Ausschreibungsquote hat sich seitdem massiv erhöht und 200.000 Leistungserfassungen pro Jahr werden automatisch in die konzerneigenen Systeme übertragen.
Der Anteil von technischen Dienstleistungen im technischen Einkauf bei der Wacker Chemie AG ist keine kleine Nummer. Hier geht es nicht um „Peanuts“, sondern um jährlich circa 45.000 Bestellpositionen und ein Beschaffungsvolumen in der Größenordnung von 200 Millionen Euro. Beschafft werden verfahrenstechnische Dienstleistungen, Elektro-, Mess- und Regeltechnik, Montagen, Bauleistungen und allgemeine Services wie Reinigung und Entsorgung.
Das alte System war nicht mehr zeitgemäß. Bereits seit Ende der 90er-Jahre nutzt Wacker ein auf SAP / R3 basiertes Tool zur Dienstleistungsabwicklung, seit 2002 gibt es ein elektronisches Aufmaßerfassungssystem. Doch die Abwicklung war umständlich. Thomas Hübner, bei Wacker verantwortlich für die elektronischen Prozesse im technischen Einkauf und in der Logistik, erinnert sich: „Alle Dienstleister benötigten eine spezielle Software, die Dateien wurden per Diskette, CD oder E-Mail an Wacker geschickt. Wir mussten diese Daten manuell in ein Sub-System einspielen und daraus wurde die Leistungserfassung erzeugt.“ Bei 200.000 Leistungserfassungsblättern im Jahr ein hoher Aufwand für die technischen Fachabteilungen. Auch der notwendige Umstieg auf Windows 7, den die alte Anwendung nicht mehr schaffte, war ausschlaggebend für die Suche nach einer neuen Lösung.
Die Bestellprozesse aller betroffenen Fachbereiche wurden harmonisiert: Rund 800 interne und externe User sind in die Dienstleistungsbeschaffung involviert.
Mehr Ausschreibungen, weniger Aufwand.
„Wir wollten die Fachbereiche entlasten und einen zukunftssicheren Prozess schaffen“, beschreibt Thomas Hübner das vorrangige Ziel der Umstellung. Außerdem sollte die Revisionssicherheit über den gesamten Vergabe- und Abrechnungsprozess erhöht werden. Diese Ziele hat das Projektteam erreicht. Der positive Nutzen für den Einkauf (durchgängiger Prozess von der Ausschreibung über die Bestellung bis zur Bezahlung, automatisierte Freigabe, erhöhte Ausschreibungsquote) waren, so Hübner, „gewünschte Effekte aus dem Optimierungsprojekt“. Ebenso die ermittelte stattliche Prozesskostenersparnis im sechsstelligen Bereich jährlich.
„Alle Beteiligten nutzen das Verfahren, es gibt keine Bypässe.“
Thomas Hübner, E-Processes Technical Procurement & Logistics, Wacker Chemie AG
Was macht das System so erfolgreich? „Wir haben einen webbasierten Ausschreibungsprozess aufgesetzt, einen Katalog zur Leistungsrückmeldung für kleinere Lieferanten eingebunden, eine Möglichkeit zum Daten-Upload für große Unternehmen realisiert und die Abwicklung von Baudienstleistungen, für die Wacker eine Spezialsoftware nutzt, ebenfalls in das System eingebunden“, fasst Thomas Hübner die Neuerungen zusammen. Dazu musste Wacker aber zunächst die Bestellprozesse aller betroffenen Fachbereiche harmonisieren. Rund 800 interne und externe User sind in die Dienstleitungsbeschaffung involviert, sie alle mussten auf die neue Lösung geschult werden. In das Projekt selbst waren Vertreter aller relevanten Einkaufsbereiche und Bedarfsträger, die Wacker-interne IT, ausgewählte Lieferanten und mit der Firma conarum ein externer IT-Berater eingebunden.
Niemand bestellt am System vorbei.
Heraus kam eine einheitliche digitale Prozesskette von der Ausschreibung für den Rahmenvertrag (RFQ) über die Angebotsabgabe, den Abruf und die Bestellung gemäß Rahmenvertrag, die Leistungserfassung durch die Lieferanten, die Prüfung und Freigabe durch Wacker, den automatisierten Wareneingang bis zur Auslösung des Gutschriftverfahrens. Thomas Hübner kann zufrieden sein, denn, so betont er, „der Prozess läuft absolut stabil, alle Beteiligten nutzen das Verfahren, es gibt keine Bypässe“.
Mitte 2012 ging das neue Verfahren mit 400 Lieferanten live, heute sind alle Dienstleister in den Ablauf eingebunden. Anfang 2013 hat Wacker die Lieferanten zu ihrer Zufriedenheit mit der neuen Lösung befragt. „Das war uns wichtig, denn das System soll zu den Bedürfnissen der Beteiligten passen und wir wollten noch bestehende Defizite im Prozess ausräumen“, erklärt Hübner.
Anpassen an möglichst alle Dienstleister.
Heraus kam ein umfassendes Feedback (65 Prozent der Lieferanten beteiligten sich an der Umfrage), das unter anderem zeigte, dass die Konzernwelt und die Welt von kleinen und mittleren Handwerksbetrieben sich durchaus unterscheiden (was eine solche Rückmeldung umso wichtiger macht). So wollten die Lieferanten mit weiteren Browser-Typen auf die Web-Lösung zugreifen (jetzt unterstützt das System auch Safari und Firefox), die gut gemeinte Online-Videoschulung kam ebenfalls nicht an. Den Beteiligten war ein „einfaches“ PDF-Dokument lieber und auch die Benutzerfreundlichkeit der SAP-Lösung wurde von den Anwendern als „verbesserungswürdig“ beurteilt. „Dennoch“, so meint Thomas Hübner, „zeigte sich die große Mehrheit mit der Funktionalität sehr zufrieden“.
Ein Tool für die ganze Wacker-Einkaufswelt.
Seit Ende 2013 ist eine nochmals verbesserte Version des Prozesses online. Und weil die Vorteile auf der Hand liegen, denkt Wacker über den Einsatz in weiteren Einkaufssegmenten nach. Geplant ist zudem eine flächendeckende Nutzung für alle Arten von Ausschreibungen. Die Web-Ausschreibungsquote hat sich durch das Projekt bereits auf rund 18 Prozent erhöht und soll in den nächsten Jahren permanent weiter gesteigert werden. Heute bewegt sich Wacker bereits zu 100 Prozent über der BME-Top-Kennzahl für die chemische Industrie. Die liegt bei vergleichsweise mageren 9,56 Prozent.
Annette Mühlberger, Fachjournalistin
(Quelle: BIP 4 2014, 5. Jahrgang)
Dokumente zum Download
Pressebericht Wacker Chemie AG – Dienstleistungen effizient elektronisch einkaufen